Wir verließen Berlin Mitte März 1945 wegen der nahenden russischen Front. Meine Mutter wollte mit uns Kindern wieder nach Düsseldorf in die angestammte Wohnung zurück. Die Bahnline über Hannover war jedoch unterbrochen wegen der Kämpfe im Ruhrgebiet und im Raum Hannover/Bielefeld. Die Reise sollte folglich über Frankfurt erfolgen. Dort hatten aber die Amerikaner schon weite Teile besetzt. Die Bahn fuhr weiter nach Süden und wir wachten nach einer ereignisreichen und gefährlichen Nachtfahrt in der Nähe von Innsbruck auf. In Silz, einem idyllischen gelgenen Dorf am Inn, fand Mutter für die Familie mit 4 Kindern eine Unterkunft im großen Wohnhaus einer Schreinerei. Von April bis Mitte August verbrachten wir eine Zeit ohne Kriegshandlungen und -erlebnisse in grenzenloser Freiheit mit gleichaltrigen Kindern aus dem Ort, erlebten bäuerliches und handwerkliches Leben, amerikanische und französiche Besatzung, kauten unser erstes Kaugummi, bewunderten amerikanische Panzer, schwarze GIs und französiche Fremdenlegionäre. Mitte der 90er Jahre besuchte ich bei einer Radtour entlang des Inn den Ort Silz. Die Schreinerei existiert nicht mehr, die angrenzende große Streuobstwiese, einst Weide für Schafe und Ziegen und Auslauf für die Hühner, war bebaut, der schmale Feldweg entlang des damaligen Hauses ist eine asphaltierte Stichstraße, die am Dorfgemeinschaftshaus, zugleich Haus des Schützenvereins, endet. Das Hotel zur Post wurde renoviert und modernisiert, die ehemals gepflasterte Dorfstraße verbreitert, begradigt und asphaltiert, aus der Bäckerei mit dem halbrunden Backofen wurde ein schmuckes Dorfcafé. 50 Jahre nach dem 2. Weltkrieg bleiben nur noch Erinnerungen. Auch das Dorf ist mit der Zeit gegangen.